theoretisch ...

Zeitangaben in Wanderführern sollen bei der Planung helfen, den Zeitbedarf einer Etappe einzuschätzen. Es wird immer darauf hingewiesen, dass die Angaben ohne Pausen sind. Neben den vorgesehenen Unterbrechungen sollte man aber auch die Zeiten nicht unterschätzen, in denen ungeplant keine Bewegung stattfindet!

In Wanderführern für den alpinen Raum gelten als Richtwerte pro Stunde:

Wandern in der Ebene
4 km
in der Ebene
Wandern bergab
600 m
bergab
Wandern bergauf
400 m
bergauf

Beim Wandern ist eine Änderung der Höhe immer mit einer Bewegung in der Strecke gekoppelt. Um dies zu berücksichtigen werden zusätzlich einfache Faustformeln angeboten.

Ebenfalls an Wegweisern tauchen Zeitangaben auf. Hier fließen manchmal noch andere Kriterien ein. Vielleicht möchte man den Weg zu einer Gastronomie nicht so lang erscheinen lassen und mehr Gäste anlocken. Ein anderes Ziel könnte sein, Ungeübte von einem Weg abzuhalten.

Warum wir langsamer sind

In der Ebene

Auf ebenen Wegen mit 4 km pro Stunde zu rechnen wird in vielen Fällen nicht zu optimistisch sein. Selbst für ein paar Schnappschüsse bleibt meistens noch Zeit. Wer stramm marschiert wird sogar noch eine größere Strecke hinter sich lassen. Wenn man in der Ebene langsamer voran kommt liegt dies in der Regel an der Beschaffenheit des Bodens, z.B.

  • beim Wandern durch Geröll
  • auf durchnässten Wegen
  • wenn der Weg schlecht erkennbar ist

Bergab

In einer Stunde bergab 600 m Höhe zu verlieren bedeutet durchschnittlich 10 m pro Minute oder alle 6 s einen Meter – oder eine Treppenstufe pro Sekunde. Machbar?

Ich habe häufiger erlebt, dass ich mich aufgrund der Beschaffenheit des Weges nicht getraut habe, in diesem Tempo zu laufen. Andererseits bin ich jungen Familien mit Kleinkindern auf dem Rücken begegnet, die sich wild die Abhänge hinunter stürzten. Man sieht, diese Frage lässt sich nur sehr individuell beantworten. Hilfreich für eine bestimmte Strecke können Aufzeichnungen von Wanderern sein, die vergleichbar unterwegs sind.

Bergauf

Bei der Frage, wie 400 m pro Stunde im Aufstieg zu schaffen sind, bedarf es eines Ausflugs in die Physik, denn die lässt sich nicht überlisten. Mit wenigen allgemeinen Grundsätzen lassen sich die Zusammenhänge erklären:

  • Arbeit ist Kraft mal Weg
  • Leistung ist Arbeit pro Zeit

Im internationalen Einheitensystems SI (System International) wurden die Grundeinheiten so geschickt gewählt, dass man die Arbeit oder Energie unterschiedlicher Technologien leicht ineinander umrechnen kann. Es gilt

Nm = J = Ws
Newtonmeter = Joule = Wattsekunde
Kraft · Weg = Wärme = Leistung · Zeit

In diesem System hat 1 kg Masse eine Gewichtskraft von 10 Newton (N). Eine Person, die samt Gepäck 90 kg auf die Waage bringt, übt also auf den Untergrund eine Kraft von 900 N aus. Wenn 400 m gegen eine Kraft von 900 N gearbeitet wird, sind 900 N · 400 m = 360000 Nm (Newtonmeter) Arbeit zu leisten.

Da wir uns 1 Stunde, also 3600 Sekunden Zeit lassen, rechnen wir die Leistung so aus: 360000 Nm / 3600 s = 100 W (Watt). Abweichende Ausgangswerte lassen sich einfach verrechnen. Wer z.B. mit 90 kg nur 75 W schafft, kommt auch nur 300 m pro Stunde den Berg hinauf. Wer 100 kg auf die Waage bringt, kommt mit 100 W Leistung stündlich nur 360 m bergauf oder benötigt 111 W, um die 400 m zu schaffen. Andererseits Leichtgewichte mit z.B. 60 kg sind kaum zu bremsen.

Sind 100 W zu schaffen? Beim Intervalltraining 20 Minuten auf dem Ergometer oder der Rudermaschine mit Sicherheit. Über mehrere Stunden?

Im Glocknerhaus war ich einem Wanderer begegnet, der viele Jahre für den österreichischen Alpenverein gearbeitet hat. Er sagte mir, dass man dabei sei, die Zeitangaben für die Anstiege auf 300 m stündlich umzustellen.

Über den Tellerrand

Mit dem Fahrrad bin ich vom Grenzübergang Aachen/Vaals zum Dreiländerpunkt in 20 Minuten hochgefahren. Mein Tempo lag größtenteils zwischen 7 und 10 km/h, der Fahrtwind kann also vernachlässigt werden. Mit grob gerechnet einem Gesamtgewicht von 100 kg und 120 m Höhenunterschied ergibt das in der genannten Zeit eine durchschnittliche Leistung von genau 100 W.

Ist die Erwartung jetzt zu optimistisch, dass man mit einem E-Bike, das einen 250 W – Motor hat, für die Strecke weniger als 7 Minuten braucht?

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